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Well-Aging

Macht Streicheln glücklich?

Die Bedeutung der Haut und der Umgang mit ihr ist nicht zu unterschätzen.

Affen haben rund eineinhalb Stunden Körperkontakt pro Tag. Eine große Rolle spielt dabei auch die Körperpflege. Das „Lausen“ bei den Primaten erfordert Nähe und Kontakt. Menschen über 30 Jahre kommen gerade mal auf fünf Minuten, selbst wenn sie in einer festen Partnerschaft leben. Psychologen halten das für bedenklich. Denn Kuscheln macht nicht nur glücklich, sondern hält auch gesund.

Sportmannschaften sind erfolgreicher, wenn Umarmungen und Abklatschen fester Bestandteil der Team-Building-Rituale sind. Bedienungen in der Gastronomie bekommen mehr Trinkgeld, wenn sie ihre Gäste leicht an Arm oder Schulter berühren. Weiblich oder männlich spielt dabei keine Rolle, weder beim Personal noch bei den Gästen. In Freundes- und Kollegengruppen bauen Umarmungen Stress ab und hemmen Aggressionen. Berührungen fördern Vertrauen, stärken Dankbarkeit und Zuneigung. 

Erstaunlich was Körperkontakt mit uns macht – und was fehlender Körperkontakt anrichtet. Psychologen erklären, dass einsame Menschen ohne Partner eher krank werden und kürzer leben. Und unglücklich sind. Manche so sehr, dass sie organisierte Kuschelparties besuchen – ernsthafte therapeutische Veranstaltungen, die der amerikanische Sexualtherapeut Reid Mihalko und seine Partnerin Marcia Baczynski 2004 erfunden haben.

Eine Berührung sagt mehr als tausend Worte, weil sie die erste Sprache ist, die ein Mensch versteht. Und die einzige, die er nie vergisst
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Werner Bartens

Mediziner und leitender Redakteur im Wissenschaftsressort der Süddeutschen Zeitung

In seinem Buch „Wie Berührung hilft" beschreibt der Mediziner und Journalist Werner Bartens, dass ein Fötus schon nach acht Wochen auf Berührung reagiert, lange bevor es riechen und sehen kann. Selbst wenn ein Baby blind oder taub zur Welt kommt, kann es sich trotzdem gut entwickeln. Aber ohne Berührung bleibt es geistig und körperlich zurück. Manche Experten glauben sogar, dass das Austauschen regelmäßiger intensiver Berührungen für die Entwicklung der Spezies Mensch essentiell ist.

Dabei spielt die Haut eine entscheidende Rolle. Zwei Quadratmeter davon hüllen unseren den Körper ein und machen die Haut zu seinem größten Organ. Neben Zunge und Lippen verfügen die Hände über die meisten Sensoren auf der Oberfläche des Körpers. Sie reagieren höchst empfindlich, wenn Jemand anders die Haut berührt und schicken elektrische Impulse durch den Körper und ins Gehirn.

Auf den ersten Blick: Hier stimmt die Chemie.
Auf den ersten Blick: Hier stimmt die Chemie.

 

Liebe hat mit Chemie zu tun

Bei Berührungen wird im Gehirn z.B. das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, treffend auch als Kuschelhormon oder Bindungshormon bezeichnet. Es soll Empathie stärken, unser Sozialverhalten verbessern und ganz allgemein das Immunsystem stärken.

Studien zeigen, dass die Hautoberflächeneigenschaften einen Einfluss auf Spüren und gespürt werden, haben können. Trockene Haut wird z.B. oftmals rauer, und das nehmen wir wahr. Auch die mechanischen Eigenschaften der trockenen Haut können sich ändern, was man unter anderem als Spannungsgefühl spürt. Da Berührungen ihre Wirkung entfalten, u.a. durch Vibrationen, Temperaturveränderung, oder auch Eindellen der Haut beim Berühren, liegt es nahe, dass diese sich je nach Zustand der Haut verändern können.

Eine besondere Bedeutung, neben unseren Gefühlen, Empfindungen und Wahrnehmungen, kommt unserem Tastsinn zu, wie auch der experimentelle Psychologe Martin Grunwald in seinen Veröffentlichungen beschreibt. Der Tastsinn sei dazu da, das menschliche Bedürfnis nach körperlicher Nähe zu stillen. So könne sich der Mensch versichern, dass er nicht allein auf der Welt ist. „Es ist einfacher, sich über Dating-Apps einen One-Night-Stand zu organisieren, als eine Umarmung zu bekommen“, sagt der anerkannte Tastsinn-Forscher. Er geht in seiner Beurteilung der Wichtigkeit sogar soweit, dass er sagt: „Fühlen und Tasten ist viel wichtiger für unser Überleben als Sehen, Hören, Riechen und Schmecken."

Die Bedeutung der Haut als lebenswichtiges Organ ist also nicht zu unterschätzen. Erhöhte Achtsamkeit und gute, konsequente Pflege helfen nicht nur, die natürliche Schönheit bis ins Alter zu erhalten, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zu körperlicher und seelischer Gesundheit.